Liebe in der Lebensmitte – Worauf muss man achten, damit sie erfolgreich ist?

Andrea Micus (59) hat dazu Ratgeber geschrieben und seit einiger Zeit schreibt sie Liebesromane speziell für diese Zielgruppe. Warum?
Liebe in der Lebensmitte – Worauf muss man achten, damit sie erfolgreich ist?
Die kleine Finca am Mittelmeer

Zu den Romanen bin ich aus eigener „Betroffenheit“ gekommen. Ich habe mich geärgert, dass die Protagonistin in den meisten Romanen im Alter meiner Kinder war. Mir fehlte dabei die Identifikation und da ich schon immer Romane schreiben wollte, habe ich das als Aufhänger für den Einstieg genommen und mir gesagt: ich schreibe jetzt für meine Altersgruppe.

Gestartet bin ich mit zwei Romanen, die auf Teneriffa spielen. Die kleine Finca liegt dagegen am Mittelmeer, genauer in Gandia, einer kleinen Stadt in der Provinz Valencia. Ich lebe und arbeite seit vielen Jahren dort, in einem rein spanischen Umfeld, und habe deshalb einen guten Einblick in das wirkliche Leben. Es ist eine bezaubernde Gegend, sehr bekannt für seine Orangen, mit freundlichen, offenen Menschen. Das wollte ich aufnehmen. 

Auch in Film und Fernsehen werden die Darstellerinnen, unter anderem in den Pilcher-Verfilmungen, immer jünger. Schauspielerinnen Ü45 beklagen sich schon länger öffentlich darüber, dass es kaum noch Rollen für sie gibt.

Ich habe es schon lange Zeit so wahrgenommen und kann es nicht nachvollziehen. Die Altersgruppe 50plus ist gross und aktiv, auch was die Liebe betrifft. Man sollte sie deshalb viel mehr berücksichtigen. Wenn sich die Frauen in der Altersgruppe besser identifizieren können, werden sie sich auch mehr für die Produktionen interessieren.

Verliebt sein fühlt sich doch auf den ersten Blick in jedem Alter gleich an, oder? Die berühmten Schmetterlinge flattern und man steht ein bisschen neben sich. Warum wünscht man sich denn Ü50 auch eine Protagonistin Ü50?

Ich habe mit 25 Jahren die Freundin meiner Mutter gefragt, ob sich die Liebe mit 50 genauso anfühlt wie mit 20 und war ganz überrascht, als sie das bestätigte. Mittlerweile kann ich es selber beurteilen. Ja, die Gefühle sind gleich, die Schmetterlinge schwirren in jedem Alter fröhlich umher.

Aber die Lebenserfahrung ist eben eine andere. Wer sich mit 50 verliebt, hat zwar das pochende Herz einer 20jährigen, aber zugleich 30 Jahre mehr Erfahrung im Kopf. Man hat so viel erlebt und weiss, wie sich alles entwickeln kann. Man geniesst zwar das Kribbeln, kann aber die Gefühle auch schnell einordnen. Die rosarote Brille ist Ü50 einfach klarer, es zählen mehr die Realitäten, was der Liebe jedoch nicht den Zauber nehmen darf. Und da in Romanen auch die innere Entwicklung der „Heldin“ eine grosse Rolle spielt, sollte sie für die Leserin in der Lebensmitte auch das entsprechende Alter haben.

Sprechen Sie auch aus eigener Erfahrung?
Oh ja, ich habe mich mit Ende 40, recht bald nach meiner Scheidung, auf die Online-Partnersuche begeben. Alleinerziehend mit zwei Kindern, beruflich engagiert, selbständig und recht ahnungslos, was auf mich zukommt. Aber meine Erfahrung war fantastisch. Ich habe durchweg sehr sympathische Männer getroffen und in der Zeit viel gelernt, nämlich dass es nicht leicht ist, Lebenskonzepte und erprobte Lebenszuschnitten miteinander zu verbinden und auch, dass man eine Strategie braucht, um das Spiel mit der Liebe gut auszuhalten. Daraus sind dann übrigens meine Partnersuchbücher entstanden. Als leidenschaftliche Journalistin bringt man das Erlebte ja immer gern zu Papier ????

Und was sind die wichtigsten Unterschiede?

Die Lebenswirklichkeit ist komplett anders. Eine junge Frau hört auf ihr Herz und basta. In der Regel sind in dem Alter beide frei und können unbeschwert in ihr Glück starten.  Mit 50 hat man ein Umfeld, das man nicht einfach hinter sich lassen kann. Kinder, Eltern, ein Haus, einen Job, einen über viele Jahre, auch Jahrzehnte, gewachsenen Freundeskreis. Wenn man sich verliebt, sind auf beiden Seiten viele Kompromisse nötig, denn man hat ein gelebtes Leben im Gepäck. Das muss man wissen und genau das spielt auch in meinen Romanen eine Rolle. Und auch die immer wiederkehrenden Fragen: Wieweit darf man das Glück für sich beanspruchen? Und wann geht es nicht mehr nur um zwei Herzen, die sich finden, sondern auch um das grosse Ganze? Wann muss ich ‚nein‘ sagen, weil zu viel im Wege steht? Spannend und garantiert nicht leicht zu entscheiden. Denn man ist eben nicht allein und hat „Mitspieler“.

Freunden und Familie gucken also noch genau hin, wenn man sich mit 50plus verliebt?

Oh ja, gerade die erwachsenen Kinder sehen ganz genau hin, mit wem „Mutter“ auf Wolke sieben sitzt. Ich habe zwei Kinder, die schon „mitgucken“ wollten, sogar der Hund wurde eingebunden und es gab Test zur Tierliebe, aus dem gesicherten Wissen heraus, dass alle unmittelbar betroffen sind. Das ist gut gemeint, aber für die Frauen nicht immer leicht. Es kommen jede Menge gutgemeinte Ratschläge, oft auch, warum „er“ nun wirklich nicht geht, zum Beispiel in meinem Fall, weil er nicht Fussball spielt und kein HSV-Fan ist. Ich habe es mit sehr viel Humor gesehen, was es leichter machte. Aber ganz ehrlich, gegen den Widerstand der Kinder kann man keine Partnerschaft führen. Dazu melden sich die Freundinnen, die auch alles ganz genau beurteilen können. An so einer Front scheitern auch Beziehungen. Man muss sich den klaren Blick oft ganz gezielt zurückholen.

Und waren Sie erfolgreich?

Ja, ich habe den Mann gefunden, dessen Lebenszuschnitt gut zu meinem passte. Als es dann auch noch funkte, haben wir schnell und entschlossen „Ja“ gesagt und es klappt bis heute richtig gut. Aber auch da musste ich erfahren, dass Verbindungen in diesem Alter auch anschliessend eine erhöhte Sensibilität brauchen. Es sind Kinder im Spiel, die man einfühlsam einbinden muss. Das kann klappen, muss aber nicht. Ich hatte Glück. Mein Mann ist Pädagoge und hatte offenbar das richtige Händchen und seit vielen Jahren eine HSV Mitgliedschaft…., was vermutlich den Ausschlag gegeben hatte. Wir sind eine tolle Familie geworden. Aber ich weiss von vielen Leserinnen, die mich kontakten, dass es nicht immer so gut klappt und die Hindernisse oft auch nicht zu überwinden sind: die Beziehungen scheitern.

Gab es von Ihren Leserinnen den Wunsch nach Protagonistinnen 50+?

Ja, häufig sogar und auch mit der Bitte, nicht nur unterhalten zu werden, sondern auch Anregungen zu bekommen. In meinen Romanen kann ich das hervorragend verquicken. Ich schildere in meinen Büchern Situationen, die meine Leserinnen kennen und sie können lesen, welchen Weg  die Protagonistin einschlägt, sozusagen als Vorlage.

Mal geht es um die Probleme bei der Online-Partnersuche, mal um den Mutter-Tochter - Konflikt. Im nächsten Buch steht die Suche nach dem Abenteuer im Mittelpunkt und danach der Reiz der Jugendliebe, also alles Themen, die jede Frau in meinem Alter kennt und auf die sie sich Antworten wünscht, in meinen Büchern bekommt sie die, eben unterhaltsam und locker.

Was macht es mit Ihnen, wenn die Romanheldin in Ihrem Alter ist?

Ich kann mich besser einfühlen. Kürzlich lief eine Verfilmung mit einer 60jährigen in der Hauptrolle, die aufgrund ihres Alters aus dem Job gekickt worden war und den Neuanfang probierte. Das hat mich gewundert und gefreut, denn es passte zu der Lebensrealität meiner Zielgruppe. Es gab erwachsene Kinder, das Gefühl, ausrangiert zu sein und nicht mehr gebraucht zu werden, und die Chance, noch einmal ganz neu durchzustarten, weil man das Alter ja auch sehr positiv sehen kann. Wenn man sich auf dem Bildschirm wiedersieht, dann macht das Zusehen, oder eben auch das Lesen, viel mehr Spass. Mich hat meine eigene Reaktion bestätigt, weiterzumachen. Im März 2024 kommt Band 3.

Es macht süchtig….


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